Das vorliegende Promotionsvorhaben greift zwei aktuell gesellschaftlich relevante Entwicklungen auf und bringt sie zueinander in Verbindung. Zum einen den demografisch zu beobachtenden Trend hin zu immer mehr Alleinerziehendenhaushalten mit seinen sozialen, ökonomischen und gesell-schaftlichen Auswirkungen und zum anderen die zunehmende Bedeutung von institutionalisierten Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe an Schulen (Schulsozialarbeit).
Der Praxisforschung Sozialer Arbeit verpflichtet, setzt sich das Vorhaben mit der Wahrnehmung des „Alleinerziehens“ durch PraktikerInnen und deren Bedeutung für die Ausgestaltung von Schulsozialarbeit auseinander, um somit anschlussfähig an aktuelle Fragen der Professionsdebatte zur Dialektik von Theorie und Praxis (vgl. Dewe/Stüwe 2016) zu sein. Wie Fachkräfte ihr Klientel wahrnehmen, welche Zuschreibungen und Kategorisierungen sie vornehmen, hat Einfluss auf die Feststellung von Hilfebedürftigkeit und dem zur Folge, auf die Ausgestaltung von Hilfe (vgl. Michel-Schwartze 2002, S. 40). Die Arbeit mit Familien aktiviert in besonderem Maße biografische sowie gesellschaftliche Normalitätsvorstellungen von Fachkräften Sozialer Arbeit (vgl. Köttig/Gah-leitner/ Kunz/Thiessen/ Völter 2014 S. 43). Angestrebt wird, Deutungsmuster, als „(…) mehr oder weniger zeitstabile und in gewisser Weise stereotype Sichtweisen und Interpretationen von Mitgliedern einer sozialen Gruppe (...)“ (Arnold 1983, S. 894) zu rekonstruieren und deren Funktionalität im Handeln von PraktikerInnen herauszustellen. Über narrative Interviews mit 21 SchulsozialarbeiterInnen und drei Gruppendiskussionen soll ein praxeologischer Zugang zu den Deutungsmustern gefunden werden. Die „Dokumentarische Methode“ nach Bohnsack (2014) ist methodologisch anschlussfähig an die Theorie von Deutungsmustern und stellt den Analyserahmen zur Rekonstruktion. Bezüglich der Fragestellung gibt es noch keine empirische Datenlage (vgl. Speck 2020, S. 168). Diese Forschungslücke zu schließen und Anreize zur weiteren theoretischen sowie empirischen Reflexion sozialarbeiterischer Praxis zu setzen, ist Anspruch dieser Arbeit.
Literaturverzeichnis:
Arnold, Rolf (1983) Deutungsmuster – Zu den Bedeutungselementen sowie den theoretischen und methodologischen Bezügen eines Begriffs, aus: Zeitschrift für Pädagogik 29, S. 893 – 912, URL: nbn-resolving.de/urn:de0111-pedocs-14, Zugriff am 10.10.2020
Bohnsack, Ralf (2014) Rekonstruktive Sozialforschung – Einführung in qualitative Methoden, 9. Auflage, Verlag Barbara Budrich, Opladen/Berlin/Toronto
Dewe, Bernd/Stüwe, Gerd (2016) Basiswissen Profession – Zur Aktualität und kritischen Substanz des Professionalisierungskonzeptes für die Soziale Arbeit, Beltz Juventa Verlag, Weinheim und Basel
Köttig, Michaela/Gahleitner, Silke Birgitta/Kunz, Thomas/Thiessen, Barbara/Völter, Bettina (2014) "Ich sehe was, was du nicht siehst" - eine multiperspektivische Zusammenschau auf den Fall Faruk Zadek, aus: Köttig, Michaela/Borrmann, Stefan/Effinger, Herbert/Gahleitner, Silke Birgitta/Kraus, Björn/Stövesand, Sabine (2014) Soziale Wirklichkeiten in der Sozialen Arbeit - Wahrnehmen - analysieren - intervenieren, Verlag Barbara Budrich, Opladen/Berlin/Toronto, S. 33 – 48
Michel-Schwartze, Brigitta (2002) Handlungswissen der Sozialen Arbeit – Deutungsmuster und Fallarbeit, Leske + Budrich, Opladen
Speck, Karsten (2020) Schulsozialarbeit – Eine Einführung – 4. Auflage, Ernst Reinhardt Verlag, München/Basel